SIGINT 2010: Von Dinosauriern und der Besiedlung des Wilden Westens
In der viel zu früh eingestellten Science-Fiction-Serie “Firefly” wird am Anfang von einem Raumschiffpiloten mit Dinosauriern gespielt, die ein neues Land besiedeln. In dem Genre-Mix aus Sci-Fi und Western der Serie steht diese Metapher natürlich für die Frontier der Besiedlung des amerikanischen Kontinents (der hier auf den gesamten Weltraum ausgedehnt wird).
Der Vergleich mit dem Wilden Westen ist ein dermaßen mächtiges Bild, dass sie auch gerne auf die Netzpolitik angewendet wird: Der ehemalige Bundestagsabgeordnete und CCC-Mitglied Jörg Tauss (dessen Fall auf der letztjährigen SIGINT Thema war) hat etwa in seinem Blog einen Vergleich zwischen den “digital natives” als Indianern und den Siedlern von der Regierung gezogen: “Indianer und Netzgemeinde” lautete sein Beitrag.
Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich und nicht jede charmante Metapher führt den Gedankengang auf den richtigen Pfad, zugegeben, so dass es auch umgehend Kritik gab: “Die Indianer hatten sicher andere Konzepte und eine freiere Lebensweise, als die einwandernden Weissen. Aber diese Lebensweise war nicht zu retten. Sie hatten bereits verloren, als Kolumbus seinen Fuß auf amerikanischen Boden setzte. Es bestand zu keiner Zeit irgendeine Chance, dass die Grenzen nicht gezogen und die Zäune nicht errichtet würden“, merkt der Berliner mspr0 in seinem Blog an.
Tatsächlich muss man den Prozess der Grenzziehung und der Landeroberung im Internet vielleicht auch gar nicht romantisch-verklärt mit Bildern aus der Vergangenheit beschreiben, sondern kann ihn durchaus als das sehen, was er ist: Ausdruck hochaktueller politischer Kämpfe und die konflikthafte Verhandlung von Interessen im öffentlichen Raum.
Für Indianer, Dinosaurier, Cowboys und Cowgirls, aber auch für politisch interessierte Menschen, bietet die SIGINT 2010 einiges zum gegenwärtigen Stand der Besiedlung des Internets und die Kämpfe an der Frontier:
- Der Rechtsanwalt Udo Vetter beleuchtet, mit welchen Mitteln und wie intensiv Straftaten im Internet verfolgt werden: Das überwachte Netz
- Der Philosoph Sandro Gaycken weist auf die Folgen der Globalisierung für den Datenschutzaktivismus hin: Die Globalisierung der Überwachung
- Der Hacker scusi zeigt, wie man Zensurmaßnahmen im Internet umgeht: Praktische AntiZensur
Die ersten beiden Tage der SIGINT zeigen einen Zwischenstand der Landnahme im Internet. Zumindest in der Fiktion gäbe es noch die Option der Flucht in den Weltraum, wenn es nicht gelingt, den Lebensraum Internet gegen die Unfreiheit zu verteidigen: “Burn the land and boil the sea. You can’t take the sky from me“. Hoffen wir, dass wir diesen Exit-Strategie so schnell nicht brauchen.