SIGINT09 - final8

SIGINT 2009
22. - 24. Mai, Köln

Referenten
Guido Brombach
Programm
Tag Control and Surveillance - 2009-05-22
Raum Vortragsraum (MP6)
Beginn 20:00
Dauer 01:00
Info
ID 3169
Veranstaltungstyp Vortrag
Sprache der Veranstaltung deutsch
Feedback

Datenschutz - und was tun die Gewerkschaften?

Fokus Datenschutz für Arbeitnehmer

Wenn von "den Gewerkschaften" gesprochen wird, handelt es sich im Rahmen dieses Vortrags um den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften, also IG Metall, verdi, IG BAU, IG BCE, GEW, NGG, Gewerkschaft der Polizei und Transnet. Im Vortrag sollen gewerkschaftliche Positionen zum Arbeitnehmerdatenschutz referiert werden, aber auch Ergebnisse einer Studie gezeigt werden, die schon 2007 von verdi beauftragt wurde. Sie belegt, was der Big Brother Award jedes Jahr aufs neue klarmacht: Arbeitnehmerbespitzelung ist betrieblicher Alltag. Der Vortrag basiert auf Material, das vom DGB zur Verfügung gestellt wurde.

Den Gewerkschaften ist nicht erst seit dem Lidl-Skandal bekannt, dass Arbeitgeber über alle Maße ihre Mitarbeiter überwachen. Die von Verdi angeschobene Lidl-Kampagne hat ihre Wurzeln in der 2004 beginnenden Recherche zum Schwarzbuch Lidl. Im Dezember 2004 startete das Blog zum Schwarzbuch Lidl und beschäftigt sich eingehend mit den Praktiken des Einzelhändlers.

Im Mai 2007 wurde im Auftrag der ver.di Innovations- und Technologiepolitik eine Befragung von Betriebsräten, Personalräten und Datenschutzbeauftragten zum Thema „Beschäftigten-Datenschutz“ durch die BTQ Niedersachsen durchgeführt. Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Opfer zahlreich sind und eine gesetzliche Grundlage benötigt wird. Das Grundgesetz sichert jedem Einzelnen Schutz vor Eingriffen in seine Privatsphäre zu. Dazu gehört auch, dass jeder über seine ihn betreffende Daten selbst verfügen kann. Deshalb muss gerade im Arbeitsverhältnis sichergestellt werden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das informationelle Selbstbestimmungsrecht unter allen Umständen gewahrt wird.

Im Februar haben sich die Sozialpartner und die Ministerien auf Einladung von Innenminister Schäuble an einen Tisch gesetzt. Bis jetzt ist aber den Worten noch nichts Greifbares gefolgt. Es hat sich zwar eine ministeriumsübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, die Vorschläge für ein umfassendes Arbeitnehmerdatenschutzgesetz bis zum Spätsommer entwickeln soll. Bislang haben sich die Koalitionsfraktionen aber nicht mal auf einen Satz zum besonderen Arbeitnehmerschutz als Ergänzung des Bundesdatenschutzgesetzes einigen können.

Gründe für ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz Wir haben zwar eine Rechtsprechung, die immer wieder den Missbrauch von Daten und damit der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Einhalt geboten hat. Es ist jedoch für den Einzelnen im Beschäftigungsverhältnis fast ausgeschlossen, sich auf diese Rechtsprechung zu berufen. Ihm kann immer entgegengehalten werden, dass sein Fall ja völlig anders liege und dass das berechtigte Interesse des Arbeitgebers viel schwerer wiegt als die Interessen der Beschäftigten. Die Gewerkschaften fordern deshalb klare, transparente und verständliche gesetzliche Regelungen. Es müssen klar strukturierte und präzise Vorschriften gefunden werden, die sicherstellen, dass Beschäftigte vor unzulässiger Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung geschützt werden. Es müssen Sanktionen vorgesehen werden, die sicherstellen, dass eine Verletzung des Datenschutzes im Arbeitsverhältnis zu spürbaren Konsequenzen für den Arbeitgeber führt.

Forderungen

  • gezielte Beobachtung und Überwachung von Beschäftigten am Arbeitsplatz und im privaten Umfeld ausdrücklich verbieten,
  • ebenso die direkte Überwachung durch Beauftragte – sei es durch Mitarbeiter oder Externe – und die indirekte Überwachung durch Video- oder Tonaufnahmen,
  • umfassendes Verbot der Überwachung, um alle denkbaren Formen zu erfassen,
  • Kontrolle der Beschäftigten durch Auswertung und massenhaftes Scannen ihrer Daten oder mit Hilfe computergesteuerter oder biometrischer Systeme untersagen,
  • Überwachung nur mit Zustimmung der betrieblichen Interessenvertretung,
  • in Betracht ziehen, dass nur in besonders sicherheitsrelevanten Bereichen Überwachungsanlagen installiert werden können, z. B. in Atomkraftwerken,
  • bei elektronischer Datenverarbeitung und der Nutzung elektronischer Medien müssen Beschäftigte besonders geschützt werden. Hier ist durch die Vielzahl und die Qualität der verwendeten Daten durch die Kombination und Auswertungsmöglichkeiten und die zeitlich unbegrenzte Verfügbarkeit ein besonderes Risikopotential gegeben. Deshalb muss es grundsätzlich verboten sein, dass der Arbeitgeber auf personenbezogene oder -beziehbare Daten bei der Verwendung moderner Kommunikationsmittel zurückgreift. Eine generelle Einwilligung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin muss ausgeschlossen werden.
  • personenbezogene Daten zeitnah löschen,
  • Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellung, aber auch bei bestehenden Beschäftigungsverhältnissen klar festlegen. Es dürfen nur solche Fragen zulässig sein, die für die konkrete Tätigkeit von entscheidender Bedeutung sind.
  • alle Fragen oder Erkenntnisse aus psychologischen Tests ausschließen, die sich auf den Privatbereich des Beschäftigten beziehen,
  • ärztliche Untersuchungen – und dazu gehören ausdrücklich auch Genomanalysen – nur, wenn dies zum Schutz der Beschäftigten notwendig ist,
  • Im Jugendarbeitsschutzgesetz ist beispielsweise vorgesehen, dass Jugendliche vor der Einstellung untersucht werden müssen. Aus gutem Grund, denn hier geht es um den gesundheitlichen Schutz der Jugendlichen. Sie sollen nicht zu Tätigkeiten herangezogen werden, die ihrem Entwicklungsstand nicht entsprechen.
  • Das gleiche gilt auch für Drogen- und Alkoholtests, es sei denn, ein konkreter Drogen- und Alkoholmissbrauch führt zu einer Gefährdung des Beschäftigten oder seiner Kolleginnen und Kollegen.

Die Forderungen sind sowohl durch eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates als auch der Position des betrieblichen Datenschutzbeauftragten erfüllbar. Außerdem muss der Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht bei der Benennung der Datenschutzbeauftragten erhalten. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Datenschutzbeauftragte tatsächlich die Interessen der Beschäftigten wahrnimmt.

Übrigens ist gerade vom Innenministerium ein Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht worden, der eine Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes vorsieht. Im Wesentlichen geht es darum, ein Datenschutzaudit einzuführen. Unternehmen sollen durch zugelassene Kontrollstellen prüfen lassen können, ob Datenschutzkonzepte und technische Einrichtungen die von einem Expertengremium festgelegten Richtlinien erfüllen. Dadurch können die Unternehmen quasi ein Datenschutzzertifikat erwerben, mit dem sie werben können – Datenschutz soll also als Wettbewerbsfaktor gelten. Der DGB begrüßt das sehr.

Alle wissen, dass im bestehenden Arbeitsverhältnis Beschäftigte gegen ihren Arbeitgeber nicht klagen. Um den Arbeitsplatz zu halten, nehmen sie nicht selten allerhand in Kauf: schlechte Löhne, unbezahlte Überstunden und Bespitzelung. Sie klagen erst recht nicht, wenn es um Fragen geht, die als nicht unmittelbar existenziell angesehen werden. Und dazu gehört leider bisher der Datenschutz. Deshalb brauchen wir ein Verbandsklagerecht. Ohne ein Verbandsklagerecht fürchten wir, dass die verbesserten gesetzlichen Regelungen wenig Durchsetzungskraft haben werden.

Archived page - Impressum/Datenschutz