Der Chaosknoten Chaos Computer Club e.V.
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Chaos Communication Congress 1991

Text zum Congress 1991 in Hamburg, ursprünglich erschienen in der Datenschleuder.

CCC: DER CONGRESS, DER VEREIN

Bericht eines CCC-Umfeldlers, der zum ersten Mal den Congress erlebte


CCC '91 - Der Kongress: Ein Erlebnisbericht.
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Am 27.-29. 12. 1991 fand der 8. Chaos Communication Congress statt. Der
Erste, an dem ich anwesend war, denn nachdem mich das Programm des 7.
Congresses u.a. nicht sonderlich begeistert hat, waren diesmal sehr viele
interessante Veranstaltung dabei. Dies lag aber auch daran, dass ich mich
noch nicht allzu lange mit der Thematik um den Computer drumherum
beschaeftige.
Diesmal stimmte jedoch der Rahmen, auch das Motto "Per Anhalter durch die
Netze" sprach mich an, und ausserdem hatte ich grad nichts besseres zu
tun.
Ich schaffte es sogar, puenktlich zum ersten Veranstaltungstermin einen
Parkplatz gefunden zu haben, jedoch hatten die Veranstalter Probleme mit
dem puenktlich anfangen. Wie ueberhaupt jeden Tag. So hatte ich also ein
wenig Zeit, mich umzuschauen. Alles sehr chaotisch, so mein Eindruck. Ein
Blick ins Hackcenter: Ah ja, viele Rechner, viele Leute. Dort wurde grad
kopiert, da gespielt, hinten versuchte jemand, zu ircen. Da ich kein purer
Rechnerfanatiker bin hielt mich dort nichts.
Im ComCenter standen wieder ein paar Rechner, auf denen jedoch auch nichts
aufregendes passierte. Also wieder nichts.
Im Archiv gab es eine ganze wandvoll Ordner, eine Theke mit diversen
Druckerzeugnissen und einen staendig arbeitenden Kopierer. Auch nicht so
interessant fuer mich, obwohl ja grad das Archiv zu den herausragenden
Einrichtungen des Kongresses gehoeren soll.
Blieb also noch das Cafe, wo ich zum Glueck eine alte Bekannte traf, die
zum Thekendienst verpflichtet worden war.

Endlich war es jedoch soweit, der Programmpunkt "Begruessung" im theater
wurde ueber quaekende Lautsprecher in immenser Lautstaerke und arg
verzerrt bekanntgegeben.
Dort spielte ein Mensch an diversen Mischpulten und zeigte verschiedene
Videoeffekte auf der Leinwand. Und damit hoerte er auch die gesamte Dauer
des Congresses selbst waehrend der Vortraege nicht auf.
Auf der Buehne erschien dann der allseits bekannte Wau Holland und hielt
einen kleinen Vortrag ueber - ja, ueber was eigentlich? Ueber die Rolle
der (privaten) Netze, und was fuer eine Rolle sie beim Putsch in der UdSSR
und beim Golfkrieg fuer der Informationsuebertragung gespielt haben,
"langsamer als CNN aber schneller als die Tageszeitung" sowie unzensiert.
Ganz nett, aber unter einer Begruessung hatte ich mir etwas anderes
vorgestellt. Ich hatte erwartet, dass etwas ueber den Congress, das Motto,
die Veranstaltungen und das drumherum erzaehlt wird. Nun war es aber auch
so, dass Wau alleine dort oben war, denn Terra war noch in einer
Pressekonferenz, und die anderen Verantwortlichen?

Mittlerweile knurrte mir der Magen, und der Vorrat an mitgebrachten
Suessigkeiten schmolz dahin. Es ist zwar ein Geruecht, dass Hacker (zu
denen ich laut Pressebericht ja gehoeren sollte) sowieso nicht richtig
essen, dass ich jedoch mit dem Essen bis nach 22 Uhr wuerde warten muessen
war "etwas" stoerend.

Auf dem Plenum bauten dann die naechsten Veranstalter ihre Geraete auf,
als ploetzlich eine riesige Horde Technikfreaks in das schwach besuchte
Theater einfiel. Der "Workshop" Cornflakes-Pfeifen (BlueBoxing) war
aufgrund des grossen Andrangs verlegt worden und der Vortrag "Informatik
und Ethik" verzog sich in einen Seminarraum. In dieser kleinen Runde ergab
sich jedoch die Gelegenheit zu einer lockeren Diskussion.
Dieser Vorfall zeigt jedoch, dass noch kein rechtes Bewusstsein ueber die
Verantwortung der Informatik - oder besser ueber die Auswirkungen des
Computereinsatzes - vorhanden ist und der Spieltrieb (Phreaking) noch
ueberwiegt.

In der Podiumsdiskussion "Datenschutz" wurde hauptsaechlich ueber die
Arbeit und die Aufgaben des Datenschutzbeauftragten geredet sowie speziell
von einer Seite immer wieder die implizite Unsicherheit der heutigen
Betriebssysteme Unix und DOS (PC) angefuehrt.
An selber Stelle ging es aehnlich gelagert weiter mit der "Haftung bei
Programmfehlern und Viren", ein Thema, dass Programmierer und Kaeufer
gleichermassen interessieren sollte und auch guten Zuspruch fand.
Zum Abschluss des ersten Tages gab es eine Podiums/Plenumsdiskussion unter
der Ueberschrift "Definitionsfragen". Obwohl ich damit nicht viel anfangen
konnte versprach die Teilnehmerliste (Jurist Gravenreuth, Prof.
Brunnstein, Terra, Wau, Steffen, JWI) eine interessante Diskussion.
Und so war es auch.
Zumindest die Diskussion an sich war spannend, ueber den Inhalt konnte man
selbiges nicht sagen.
Es fing damit an, dass Wau zur Vorgeschichte sagte, dass er sich gegen die
Ueberschrift "Techno-Terrorismus" gewandt hatte und erstmal eine
Begriffsdefinition wuenschte. Das sollte also die "Definitionsfrage" sein?
Die diversen zu diskutierenden Begriffe? Eingeschraenkt auf das Thema
"Technoterrorismus"?
Ich fing an, mich etwas zu wundern.
Als dann im Laufe der Diskussion immer leichtfertiger mit dem Begriff
"Terrorismus" umgegangen wurde, als sogar die Benutzung von Telefonkarten
damit in Zusammenhang gebracht wurde ("Staatsterrorismus"), spaetestens da
fragte ich mich: Wo bist Du hier eigentlich?!
Es wurde also lange Zeit von verschiedenen Leuten in Monologen ueber den
Begriff "Terrorismus" doziert, und irgendwann wurde zum Glueck auch wieder
der Begriff "Techno" ins Spiel gebracht. Ich, der ich mir unter dem
Begriff nichts konkretes vorstellen konnte, und zu Anfang der Diskussion
noch auf eine Erlaeuterung gehofft hatte, musste mir muehsam im Laufe der
Diskussion rausfiltern, was gemeint sein koennte. Es wurden dann Dinge wie
die Hitlerattentate, Ampeln abschalten, Viren zur Schaedigung der
Konkurrenz einsetzen oder Hacken bzw. Crashen genannt. Ob RAF oder IRA
erwaehnt wurden kann ich leider nicht mehr sagen.
Auf jeden Fall kam bei dieser Diskussion nicht viel raus ausser einer
Selbstdarstellung einiger Diskutierender.

Nach diesem Abschluss kam ich dann doch endlich zu meinem warmen Essen,
auch wenn in Hamburg die Pizzerien sehr duenn gesaet sind...
Den Samstag ging ich locker mit einem Streifzug durch Hamburg an, und
bevor ich mittags zum Ort des chaotischen Geschehens zurueckkehrte nahm
ich die Gelegenheit wahr, mir den Bauch vollzuschlagen.
Auch die Veranstaltungen dieses Tages fingen natuerlich mit Verspaetung
an, so dass ich rechtzeitig zum Vortrag "Private Netze" wieder anwesend
war.

Hier wurden die privaten Netze IN, SubNet, Maus und andere beschrieben,
was fuer Moeglichkeiten die Netze haben und wie man sich anschliessen
kann. Recht interessant, um einen kleinen Einblick in den Hintergrund der
Netzwerke zu bekommen.  Gleich anschliessend wurden im Vortrag "Netzdienste"
eben diese erlaeutert, damit auch Nichtwissende erfahren, worum es geht und
was machbar ist.
Mail, News, FTP, Remote Login und Irc wurden den Anwesenden nahegebracht.
Besonders hervorzuheben ist der Beitrag von Princess ueber die News, der
engagiert und gut verstaendlich das Wesen der News rueberbrachte und auch
eine Diskussion ueber die Zensur von Newsgruppen in Gang setzte, die trotz
der Zielgruppe des Vortrags (Netz-Laien) recht fundiert war, die Meinungen
jedoch nicht zusammenzubringen waren.

Auch wieder im Theater fand der Bericht "Offene Netze und freier Zugang an
Unis" statt. Hier wurde ausfuehrlich das Muensteraner Pilotprojekt "DAWIN"
vorgestellt, das gegen den urspruenglichen Widerstand des Rechenzentrums,
aber mit Unterstuetzung des DFN-Vereins, der Universitaet die Netznutzung
schmackhaft machen konnte.
Zusaetzlich wurden weitere Argumente und Moeglichkeiten gebracht, um einem
den Netzzugang zu ermoeglichen.
Diese wurden in dem naechsten Tag stattfinden Workshop weiter vertieft.
Wie nicht anders zu erwarten fand auch der eine Stunde spaeter als geplant
statt (Warum kommen die Leute bloss nicht frueh genug aus den Federn?!),
zumal das Fruehstueck erst zu der urspruenglich fuer den Workshop
vorgesehenen Uhrzeit bereit war.


CCC e.V. - Der Verein: Standortbestimmung und Perspektive
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Auch die grosse Abschlussveranstaltung "10 Jahre CCC" begann, wie nicht
anders zu erwarten, im Chaos. Die Vorstaendler mussten erst
zusammengesucht werden, Wau sogar aus seiner "Buergerdatenfunk"-
Veranstaltung, worueber er sehr ungehalten war, dafuer aber auch gleich
etwas zu den Anfaengen des CCC erzaehlen durfte. Ausserdem sprachen noch
Steffen, Andy, Terra und als Moderator JWI.
In der Diskussion ueber die Zukunft des CCC e.V. war man sich uneins, es
wurde u.a. von einer "Mythosverwaltung" gesprochen.
Jeder hatte eine andere Vorstellung von den Aufgaben des CCC, und ich
natuerlich auch. Da ich bei der Diskussion nicht die Gelegenheit fand,
meine Ansicht zu aeussern (Bei einer so leidenschaftlich und kontrovers
gefuehrten Diskussion?) gehe ich den leichteren Weg und gebe sie in diesem
Artikel der Oeffentlichkeit zur Diskussion preis.

Angefangen hat der CCC als loser Zusammenschluss von Computerinteressierten.
Ihren ersten oeffentlichen Auftritt hatten die CCC'ler durch das Stoebern in
der Mailbox "Telebox" der Post, das bisher groesste Medienecho erreichten sie
jedoch durch den beruehmten BTX-Hack.
Die danach durch den CCC bekanntgewordenen VAX- und NASA-Hacks geschahen
nicht mehr im CCC (bzw. dessen Umfeld) selbst, sondern wurden an sie
herangetragen, und der CCC trat damit nur noch an die Oeffentlichkeit.
Mittlerweile war der CCC also eine Anlaufstelle fuer Hacker geworden, die
sich ihm gefahrlos anvertrauen konnten. In der Oeffentlichkeit war der CCC
eine Sammelbecken von Hackern, die sich aber auch mit dem Thema
Datenschutz und anderen Auswirkungen der Computertechnologie
beschaeftigten. Von daher war der CCC ein kompetenter, kritischer
Ansprechpartner fuer den bewussten Umgang mit Computern. Zumindest stellt
sich das so fuer mich dar. Doch leider ueberwiegt wohl meistens das
Hackerimage, so dass dies wohl eher ein Wunschdenken ist.

Womit ich auch bei der Perspektive fuer den CCC bin.

In der geschichtlichen Entwicklung ist der CCC also zum einen der Mittler
zwischen Hackern und den Betroffenen - Firmen, Behoerden, Anwender,
Oeffentlichkeit -, zum andern ein Bewusstseinsmacher fuer die Problematik
des Computereinsatzes.
Das Hacken an sich kann nicht mehr den Stellenwert im CCC haben, den er
frueher hatte. Abgesehen davon, dass die Medienwirksamkeit solcher
Aktionen nachgelassen hat, koennen Hacks auch wegen der Abhaengigkeit der
Gesellschaft vom Computer immensen Schaden anrichten, indem z.B. Rechner
lahmgelegt werden (Bankrechner) oder auf Daten nicht mehr zugegriffen
werden kann (Patientendaten).
Auf die Problematik der Abhaengigkeit sollte zwar immer noch aufmerksam
gemacht werden, aber auf einer qualitativ anderen Ebene.
Der CCC muesste seine Bekanntheit nutzen und als quasi einzige auf dem
Gebiet Computertechnologie bekannte kritische Organisation
Oeffentlichkeitsarbeit betreiben, immer wieder den Finger in offene Wunden
legen, bessere Loesung aufzeigen. Prof. Brunnstein machte dies durch den
Vorschlag der Uminterpretation des "C" von "Chaos" in "Creativ" deutlich.
Im kleinen funktioniert das schon: Wau vertritt (noch im CCC) das Thema
Buergerdatenfunk, Terra engagiert sich mit dem IN in der privaten
Vernetzung. Doch muss man wegkommen von dieser Eigenbroetlerei und
zusammen unter dem Dach CCC arbeiten.

Der CCC darf nicht sterben!

Wer soll sonst in der Oeffentlichkeit ueber die Folgen des
Computereinsatzes nachdenken?
Wer das Bewusstsein schaffen fuer die Probleme?
Wer die Schwachstellen aufzeigen?
Wer Themen oeffentlichkeitswirksam aufbereiten und vertreten?
Wer Ansprechpartner sein fuer Hacker und Systembetreiber?

Auf weitere 10 Jahre CCC,

Michael Niermann
<murray@sol.ccc.de>, <Michael.Niermann@arbi.Informatik.Uni-Oldenburg.DE>


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"Bedenke stets: King Kong starb für Deine Sünden!

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