Bei der Eröffnung des 37C3 wurde der sehr schöne Satz gesagt "hier ist es total normal auch Sachen nicht zu können, denn [...], wir definieren uns nicht über das was wir nicht wissen, sondern über den Wissensdurst [...] etwas nicht zu wissen ist kein Makel sondern Antrieb für unsere Neugier." Dieser Satz beschreibt für mich sehr gut, was Chaos sein sollte und im besten Fall ist.
Dem Gegenüber steht der in Chaos-Kontexten oft gehörte und gelesene Satz "Kein Backup, kein Mitleid", der so ziemlich genau das Gegenteil aussagt. Ein Satz der sagt "wenn du bestimmtes Wissen und bestimmte Fähigkeiten nicht schon hast, musst du gar nicht erst kommen, dann bist du nicht willkommen um Dinge zu lernen und hast auch keine Menschlichkeit verdient". Und ein Satz, der in unserer Community viel zu selten kritisch kommentiert wird.
Aber wie ist eigentlich die Realität in der Chaos-Community und auf dem Congress? Näher an dem ersten oder dem zweiten Zitat? Und wie diskriminierungsfrei und barrierearm sind wir darüber hinaus? Ist die allgegenwärtige Attitüde "rationale Argumente stehen über Emotionen" ein Zeichen dafür, dass wir den Sexismus in unserer Community nicht überwunden haben, sondern sich dieser nur inzwischen eher in Form von nicht direkt geschlechtsabhängiger Feminitätsfeindlichkeit äußert? Sind wir wirklich so queerfreundlich und behindertenfreundlich, wie es auf den ersten Blick aussieht? Ist es wirklich so, dass auf dem Congress viele ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass man mindestens zwei Sprachen (Deutsch und Englisch) fließend spricht? Und vor allem: wie können wir an all dem arbeiten um zugänglicher und einstiegsfreundlicher zu werden? Über all das will ich einen kurzen Input geben, dann Betroffenen und insbesondere Menschen die neu dabei sind eine Bühne geben Dinge anzusprechen und zuletzt in eine offene Diskussion gehen.
Kurz zu meiner Perspektive und Position bei dem Thema: ich bin selber schon einige Jahren dabei, aber lokal nicht mehr wirklich an die Chaos-Community angebunden. Ich bin weiß, queer und behindert. Ich habe mich dieses Jahr dafür entschieden zu versuchen, den Congress Menschen aus meinem Umfeld zugänglich zu machen, die zwar großes Interesse an der Chaos-Community haben, aber bisher keinerlei Zugang zu dieser und bin mit einer Gruppe aus sieben Menschen auf dem Congress, von denen ich die einzige bin, die nicht zum ersten mal da ist und bereits aktiven Bezug zur Chaos-Community hat. Vieles was ich erzähle, reflektiert vor allem die daraus wachsenden Erfahrungen.