12. Chaos
Communication Congress '95
Ergonomische
Arbeitsplatzgestaltung am Bildschirm
von Derk Marko Reckel [derk.reckel@link-goe.zerberus.de]
Ergonomie ist die Wissenschaft von der Arbeit. Man versteht darunter ein
harmonisches Zusammenspiel zwischen Mensch, Arbeitsmittel und
Arbeitsaufgabe.
Bei Arbeit am Computer muß der Organismus zum einen eine hohe
statische Muskelkraft aufbringen, zum anderen besteht durch die
langanhaltende optische Konzentration auf ein kleines optisches Feld eine
hohe visuelle Belastung. Dadurch kann es zu unterschiedlichen
körperlichen Beeinträchtigungen kommen:
- Gefährdung des Sehvermögens
- Körperliche Beschwerden
- Psychische Belastungen
Der Mensch hat in seiner "natürlichen" Umgebung in freier Natur
bedeutende optische Leistungen zu erbringen, für die der optische
Apparat ausgerichtet ist. So sind die Augen besonders an das Verarbeiten
unterschiedlich strukturierter und kontrastierter Strukturen angepasst.
Für das zentrale binokulare Gesichtsfeld gilt daß beidseits
25 Grad der Mittelachse der Bereich ist, der für die optische
Wahrnehmungsfähigkeit die größte Bedeutung hat. Durch
kleine Bewegungen der Augenmuskulatur beim normalen nicht starren Blicken
wird dieser Bereich abgedeckt. Bei der Bildschirmarbeit fällt durch
die optische Konzentration dies Muskel"training" weg und es kann dadurch
schneller zur Notwendigkeit einer Sehhilfe (=Brille) kommen. Auch hat das
Ziel der Konzentration in den meisten Fällen eine ungünstige
(eigentlich gar nicht vorhandene) Strukturierung der Oberfläche und
oft auch mangelhafte Kontraste und Farbgebungen.
- Visueller Streß: Sehanforderungen am
Bildschirmarbeitsplatz
Visueller Streß kann durch einseitige Sehanforderungen ausgelöst
werden.
- Überforderung des Sehorgans durch Intensität, Menge und
Zeit der zu erbringenden Sehleistung
- Überforderung durch die Verhinderung elementarer visueller
Wahrnehmungsbedürfnisse
- Überforderung durch Unterforderung, da nur Teileigenschaften des
visuellen Systems genutzt werden (z.B. objektivierende
Bildverarbeitung)
- Belastungen für Muskel- und Skelettapparat
Die Wirbelsäule ist der Teil des Skelettapparates, der beim sitzenden
Arbeiten vor dem Bildschirm am stärksten belastet wird. Zwischen den
einzelnen Wirbeln sitzen dabei die knorpeligen Bandscheiben. Die
Bandscheiben werden mangels Gefäßversorgung durch die Bewegung
der Wirbelkörper gegeneinander und damit abwechselndem Druck und
Entlastung versorgt (Schwamm-Prinzip). Die Bandscheiben, die bei normal
bewegter Tätigkeit durch die Veränderung des auf sie
ausgeübten Druckes an wechselnden Punkten belastet werden, bekommen
beim sitzenden Arbeiten einen unphysiologischen einseitigen Druck, der
langfristig zur Degeneration einzelner Segmente durch eine Unterversorgung
führt. Für die Muskulatur ist die langanhaltende Beanspruchung
einzelner Muskelstränge auch belastend, so daß es, besonders in
Verbindung mit einer falschen Arbeitshaltung, zu Verspannungen oder
Krämpfen führen kann.
- Psychische Beanspruchung bei der Arbeit entsteht durch
- Monotonie
- Wiederholung
- Sinnentleerung
- Verlust der Ganzheitlichkeit der Arbeitsaufgabe
- Mangelnder Einfluß auf die eigenen Arbeitsaufgaben durch programmgebundene Arbeitsabläufe
- Eingeschränkte Selbstbestimmung
- Hohes Arbeitstempo des technischen Systems und Arbeitsverdichtung
- Möglichkeit der Leistungskontrolle von außen
- Informationsüberflutung vor allem im Bereich der visuellen Wahrnehmung
- Soziale Isolation durch stark ortsgebundene Arbeitsplätze und durch arbeitsbedingten geringen Koordinationsbedarf mit anderen Kollegen
Für den einzelnen sind die einzelnen Faktoren unterschiedlich wichtig.
Eine Optimierung kann die Einzelleistung erhöhen, aber auch
gleichzeitig die Gesamtleistung oder die Belastungsfähigkeit senken.
- Folgen psychischer Belastungen
- persönliches Empfinden stark belastet zu sein
- sinkende Arbeitszufriedenheit
- Erhöhte Werte von Herzfrequenz und einseitige Muskelaktivität
- Nervosität und Schlaflosigkeit
- Ermüdungs- und Erschöpfungszustände
- Körperliche schmerzhafte Zustände wie Kopfschmerzen, Muskel-
und Skeletterkrankungen, Verdauungsstörungen.
- Lärmbelastung
Arbeitsmedizinisch sollte die akustische Dauerbeschallung nicht über
40 dB(A) liegen. Eine akzeptabele Obergrenze für Büros liegt bei
55 dB(A), einer Lautstärke, wie sie sich auch in normalen
Wohnräumen bei Gesprächen herrscht.Störend bei einer
Lärmbelastung ist vor allem der Wechsel von verschiedenen
Schallintensitäten, insbesondere bei akustischen Signalen mit
Apellcharakter.
Primärmaßnahmen bei bestehender Lärmbelastung am
Arbeitsplatz durch Arbeitsgeräte (z.B. lauten Lüfter des
Computers, Drucker):
- anderes Gerät kaufen
- Gehörschutz
- besondere Schulung oder Verlegung des Arbeitsplatzes in einen anderen
Raum
- Chackliste für den Arbeitsplatz:
- Läßt sich meine Arbeitsorganisation verbessern?
- Ist meine Software in Ordnung?
- Bin ich mit meinem Monitor, der Tastatur sowie den anderen
Eingabegeräten zufrieden?
- Sind meine anderen Arbeitsmittel in Ordnung?
- Läßt meine Arbeitsumgebung störungsfreies Arbeiten zu?
- Nehme ich mir ausreichend Zeit für Pausen?
- Voraussetzungen von Anwendungssoftware:
- Die Benutzung des Systems muß ohne besondere EDV-Kenntnisse
möglich sein
- Die Bildschirmoberfläche soll übersichtlich gestaltet sein;
mit blinkenden Zeichen, Intensivdarstellungen und Farben soll nur sparsam
umgegangen werden
- Die Initiative zum Beginn, zur Unterbrechung und zum Abbruch eines
Dialoges soll stets beim Benutzer liegen
- Jede Bildschirmmaske soll ein abgeschlossene (Teil-) Aufgabe darstellen
- Die Notwendigkeit des Blätterns von Bildschirmseiten soll
vermieden werden
- Folgenschwere Eingaben (z.B. Löschen) sollten nur durch
Betätigung mehrerer Tasten möglich sein
- Die Antwortzeiten des Systems müssen kurz sein. Länger
dauernde Antwortzeiten (mehr als 2 Sekunden) soll das System dem Benutzer
anzeigen
Faustregel zum Aufstellen von Monitoren:
- von der natürlichen Lichtquelle so weit entfernt wie möglich
- parallel zum Fenster
- indirekte Beleuchtung des Arbeitsplatzumfeldes und direkte Beleuchtung
der Arbeitsmaterialien; durch den Benutzer veränderbar
- scharfe Zeichendarstellung
- mindestens 2,9 mm große Zeichen
- Flimmerfreier Hintergrund, Bildfrequenz mind. 73 Hz
- Monitorgröße ab 17" aufwärts
- Referentin:
- Hildegard Schmidt,
- Lehmkamp 22
- 31199 Diekholzen
Hildegard Schmidt ist Regierungsoberinspektorin, freiberuflich tätig im
Bereich der Optimierung von Bildschirmarbeitsplätzen.
Michael Rademacher,
27.12.1995