Das Netz ist so schlecht oder so gut wie die Welt da draußen vor den Bildschirmen. Hier wie dort finden sich die gleichen Verhaltensweisen und Erscheinungen wider - Dummheit und Mobbing zum Beispiel.
Zunächst muß man aber zwischen dem Wort Mobbing aus dem Alltag für die Datennetze eine gewisse Neudefinition treffen. Das schwierigste dabei ist die Grenze zwischen "Mobbing" und "Flaming" - die Unterschiede sind fließend und je nach Empfindlichkeit von Userin zu Userin verschieden. Grob kann man sagen, daß es sich beim Flaming um eine einmalige und heftige, manchmal wenig rationale Reaktion handelt, während das Mobbing eine kontinuierlicher, geplanter Belästigung ist. Es muss ferner zwischen persönlichem Mobbing, also Mobbing "Einer gegen Einen" und gemeinschaftlichem Mobbing, also dem Mobbing "Alle gegen Einen" unterschieden werden. Die dritte diskutierte Variante, "Einer gegen Alle", kann man eigentlich nicht als Mobbing werten, da keine Einzelpersonen persönlich angegriffen werden. Gruppen, die sich einig sind, können auch nicht effektiv anggriffen werden.
Ob es sich in einem dieser Fälle für den Betroffenen um Mobbing handelt, ist auch immer noch von der Bedeutung der Nutzung der Datennetze für den "Betroffenen" abhängig, und von dessen "sozialer Stellung". Jemand, der sich seit Jahren und mit einem großen Aufwand an Freizeit in den Netzen bewegt und dort einen guten Ruf genießt, wird durch eine gezielte Mobbing-Attacke persönlich härter getroffen als der gelegentliche Zufallsnutzer.
Zur Erklärung des Wortes Mobbing wurden folgende Handlungen als typisch "mobbend" bezeichnet: gezielte Demontage einer Person, Mundtotmachen, Verballhornung von Namen, Suchen von persönlichen Schwachpunkten und Verbreiten von Lügen über die Person. Dabei ist Mobbing immer personenbezogen. Im Unterschied dazu sind Flames aktionsbezogen (es wird ein Diskussionsstandpunkt oder eine Handlung angegriffen). Wie im Nicht-Daten-Alltag kann man auch in den Netzen zwischen "aktivem" Mobbing durch direkten Angriff einer Person und "passivem" Mobbing durch Ignorieren der betroffenen Person und ihrer Aktionen, (etwa durch das Einsetzen von Mail-Filtern) unterscheiden.
Worin liegen nun die Gründe dafür, daß derartige direkte Angriffe wie beim Mobbing oder auch Flaming in den Netzen häufiger sind als in Netzfreien Zonen?
Wenn man vergleicht, wo und wie oft es zu provokativen Handlungen kommt, sieht man recht deutlich, daß Personen, die sich wenigstens gelegentlich in direkten Kontakt zueinander befinden (also face to face) diplomatischer miteinander umgehen, als Personen, zwischen denen eine physikalische Barriere wie z.B. Gefängnisgitter, Autoscheiben oder eben die räumliche Trennung in den Datennetzen zu finden ist.
Oft hat man sich nach dem Lesen nur weniger Zeilen oder Nachrichten bereits ein Bild vom Gegenüber gemacht, das sowohl ein Vorurteil im herkömmlichen Sinne als auch ein Vor-Urteil sein kann, also ein Urteil, das aufgrund der sorgfältigen Analyse der zur Verfügung stehenden Daten als ein revidierbares vorläufiges Urteil gefällt wird. Ob Vor-Urteil oder Vorurteil: der flüchtige erste Eindruch vereinfacht es, den Anderen verletzend anzugreifen. In bestimmten Usenet-Diskussionsgruppen, etwa alt.2600, genügt schon eine Absenderadresse von America Online, um ignoriert und angepöbelt zu werden.
Wenn man sich nun mal in die Situation des oder der Gemobbten versetzt, so können, je nach Nervenkostüm und anderen Einflüssen, die Auswirkungen von leichtem Blutdruckanstieg über Heulkrämpfe bis zu Selbstzweifeln mit Suizidgefahr reichen. Die von Betroffenen getroffenen Maßnahmen, wenn sie andauerndem Mobbing ausgesetzt waren, reichen von dem Rückzug aus den den entsprechenden Netzteilen über die stille Verarbeitung bis hin zur Psychotherapie. Helfen kann hier vor allem die Erkenntnis, daß man gemobbt wird - um zu erkennen, daß der Fehler nicht in der eigenen Person liegt, sondern in der Unfähigkeit des Gegenüber zur normalen, fairen, argumentativen Kommunikation.
Als letztes wurden die Möglichkeiten zur Mobbing-Abwehr diskutiert. Der erste Vorschlag, (und sicher auch der, der von den meisten Betroffenen eingeschlagen wird) war, die mobbenden User in einen Mail-Filter zu legen, so daß ihre Attacken das Ziel nicht mehr erreichen.
Damit hat man aber sein eigenes Ziel evtl. nur halb erreicht, da man in genügend vielen Netzen und Netzteilen faktisch dem Gegenüber Recht gibt, wenn man sich nicht bemüht, die vorgebrachten Gegenargumente zu entkräften. Wesentlich erfolgversprechender wurde der Vorschlag bewertet, zum Streitthema (so es denn eines gibt) eine letzte klärende Mail zu schreiben, die mit der Bemerkung endet: "Und damit ist der Fall für mich erledigt." In diesem Zusammenhang wurde auch die Einrichtung spezieller "Diskussionsforen" angesprochen, die nur dazu dienen, daß man dem Mobber mitteilen kann, man habe seine Nachricht dorthin weitergeleitet und er könne sich dort austoben.
Dies könnte allerdings auch wiederum als Mobbing ausgelegt werden, da man dem Gegenüber ja evtl. nur durch eine heftige emotionale Reaktion bedingt, in eine Ecke drängt, in die er nicht hingehört. Mobbing ist und bleibt also ein nicht klar abzugrenzendes Thema. Die meisten Möglichkeiten, auf ein vermutetes oder reales Mobbing zu reagieren, bleiben ein zweischneidiges Schwert.