ChaosComputerClub e.V. Hamburg / FoeBuD e.V. Bielefeld

Internet ist cool, oder?

Porno- und Pizzaserver? - Internet-Hype und die Folgen

Wer soll die Datenleitungen in Zukunft bezahlen? Was passiert, wenn große Unternehmen das Netz als Einnahmequelle für sich erschließen? Gleicht sich das Niveau des Internet-Angebots der Schmalspurinformation und Breitwandunterhaltung des Privatfernsehens an?

Rena Tangens, FoeBuD e.V. (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs) in Bielefeld, und Gerd Meissner, Der Spiegel, verantwortlich für das Ressort "Medien, Elektronik, Kommunikation" und damit für die Einspeisung der elektronischen Spiegel-Ausgaben in das World Wide Web, diskutierten zusammen mit dem lebhaften Publikum in der Aula über die Zukunft des Internet.

Gerd Meissner lieferte verschiedene Erklärungen dafür, warum Der Spiegel sich dafür entschieden hat, eine elektronische Version des Nachrichtenmagazins zu produzieren, die noch "ein reines Verlustgeschäft" für den Verlag ist.

Meissner sagte, Der Spiegel wolle etwas davon zurückgeben, was er in vielen Jahren an Input aus dem Netz bekommen habe. Inzwischen zeugen rund 550 elektronische Zuschriften im Monat vom regen Interesse des Netzpublikums. Viele Bitten und Anregungen aus der Computerszene seien der Auslöser für diesen Schritt gewesen, man wolle damit am Puls der Zeit bleiben und ein Signal für die Neuen Medien setzen. Darüber hinaus beansprucht der Der Spiegel eine Art "Navigatorfunktion" im Internet, gemäß seiner Tradition möchte er Orientierungspfosten in den Strom der Informationsflut einschlagen. Meissner räumte gleichzeitig ein, daß die Entscheidung des Verlages natürlich unter der Überschrift "Marketing- Maßnahme" geführt wird, die den Bekanntheitsgrad des Spiegels steigern und die rentablen Papierausgaben keinesfalls ersetzen soll.

Noch sind die kommerziellen Gewinne des Internet verschwindend gering, das gewaltige Potential für Werbung und das Aufkaufen von Providern und Distributionswegen kann aber schnell zur Bildung von Monopolen führen, die dann das Angebot diktieren und die bidirektionale Kommunikationsmöglichkeit gefährden können. Marketing-Interessen werden zunehmend wichtig. Da die Universitäten in absehbarer Zeit die Hardwarekapazitäten und Leitungen für den privaten Internetbetrieb einschränken werden, den zur Zeit engagierte Studenten in den Hochschulrechenzentren aufrechterhalten, werden andere (bereits vorhandene) Datenleitungen nötig, die sicherlich nicht kostenlos zu haben sind. Die Personalkosten für die Menschen, die ihre Zeit in das Internet investieren, werden dabei den größten Kostenfaktor ausmachen. Werbung kann sicherlich Geld bringen, noch scheint aber niemand genau zu wissen, wie Werbung sinnvoll für und nicht gegen das Internet eingesetzt werden soll.

Rena Tangens verwies auf die besonderen dezentralen Mailbox-Strukturen in Deutschland. Alternative Informationsforen werden hier zur Verfügung gestellt, die sich größtenteils selbständig finanzieren, freie und gleichberechtigte Diskussion am Bildschirm ermöglichen und nicht nur den stumpfen Fernseheinwegkonsum vor einer etwas anderen Glotze fortsetzen. Dabei werde immer wieder deutlich, daß der wichtigste Grund für die explosionsartig steigende Nachfrage nach Internetzugängen die Möglichkeit ist, eMail-Nachrichten abzusetzen und zu empfangen. Die Teilnahme an Diskussionsforen (Newsgroups) ist eine weitere Motivation für die Teilnahme am Internet.

Ob das Internet in 20 Jahren genauso kommerzialisiert sein wird wie etwa die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender (die ursprünglich auch vollkommen ohne Werbung ausgekommen sind), liegt an den Weichen, die jetzt gestellt werden. Wenn das Internet eines Tages nur noch als Träger von Werbung fungiert und große Unternehmen das Angebot bestimmen, sind die Chancen vertan worden, die wir heute haben. Sexdienste, Videospiele und andere Einweg-Unterhaltungsdienste würden den Markt dann unweigerlichen beherrschen.

Markus Schopmeyer <m.schopmayer@link-goe.central.de>


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Stefan Kurtz,06.Jul.1995
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